Gedanken zur Ausdrucks- und Bewegungstherapie
Meine Arbeit basiert auf der Grund¬
annahme, dass Körper, Geist und
Seele funktionell identisch sind.
Was in der Seele geschieht, spie¬
gelt sich auf der Körperebene und
umgekehrt. Die energetischen
Prozesse des Körpers (Energie¬
produktion durch Atmung und
Stoffwechsel und die Entladung
der Energie in Bewegung und
Ausdruck und Gestaltung) sind das
Fundamen tder Persönlichkeit. Sie
bestimmen das geistig-seelische
Geschehen wie auch das körper¬
liche. Ich gehe davon aus, dass
durch die Arbeit mit und an dem
Körper Erinnerungen an frühe trau¬
matische Erlebnisse und psychi¬
sche Konflikte wieder zum Vor¬
schein kommen können und so die
Patienten zusammen mit mir bes¬
ser verstehen, wie Störungen im
Gefühlsleben, im Körperbefinden
und/oder psychosozialen Verhal¬
ten entstanden sind. Die Koordi¬
nation von Körperarbeit und tie¬
fenpsychologisch ausgerichteter
Prozessbegleitung
ermöglicht
einenZugang zur emotionalen Tie¬
fenstruktur sowohl über den Kör¬
perais auch über die Verstandes-
und Gefühlswelt. Dadurch wird die
Wechselwirkung leib-seelischer
Vorgänge erfahrbar und der an sich
selbst leidende Mensch einer Be¬
handlung zugänglich.
Christian Eicher
STILLEBEN
Dort liegen sie:
TELLER
klein, eckig, scharf, zersplittert
verformt
durch Kraft, Wunsch, Schrei, durch
Tränen und Zittern.
STILLE.
Und: Schmerzen imBauch .... Und:
Glaubst du an’s Formen in dir, an ’s
Gestalten, an’s Umwandeln, an’s
Verändern und
Neuwerden?
Der Autor ist ein ca. 50 j. Mann,
verh., Vaterzweier Kinder, hier sehr
depressiv bis mutistisch anmu¬
tend.
So der Titel des Gedichts. Ein still
vor sich hingelebtes Leben? Oder
nicht vielmehr ein still-gelegtes
Leben ?Verformtim Laufe derzeit.
Kraft-los, wunsch-los, sprach-los.
Ein wandelnder Vorwurf. Ein
Bauch voller Wut. Im Kopf uner¬
trägliche Schmerzen. Die Hände
nur noch Fäuste. Nach dem Tel¬
lerwurf: Scham. Dazu die Erinne¬
rung: "So voller Wut habe ich ein¬
mal meinen Sohn geschüttelt".
Die in’s Gegenteil verdrehte Wut:
Hände, die nicht mehr zupacken.
Füsse, die nicht mehr selbständig
einen nächsten Schritt tun wollen.
Verweigerung: Dazu zunehmende
Angst und Schuld.
Und dennoch. Irgendwo regt sich,
wie in Goethe’s Faust, eine ur¬
sprüngliche schöpferische Kraft.
Der Gedanke zumindest, dass
auch in dieser Still-Iegung der
Emotionen, dem Verstummen
nach Aussen, ein, nämlich sein
jetziger Weltbezug sichtbar wird,
der Möglichkeiten der Verwand¬
lung in sich trägt.
Der psychosomatisch leiden
Mensch lebt in einem grossen leib¬
seelischen Ungleichgewicht.
der Ein-Sicht, dass die körperliche
und die seelische
(Wahrnehmung) unlösbar
knüpft sind, soll sich der psycho¬
somatische Patient hier auf der Ab¬
teilung befassen. Fast täglich er¬
lebe ich, wie schwierig es für die
Patienten/innen ist, eigene Bedürf¬
nisse und Gefühle, d.h. Wünsche,
Erwartungen, Ängste,
schungen, Ärger und Trauer
spüren und zu verbalisieren. Hier
öffnet sich für dieAusdrucksthera¬
pie, als sogenannte non-verbale
Therapieform eine grosse Chan¬
ce. Sie bietet ein breites Spektrum
an Möglichkeiten, das alle Sinne
einbezieht, direkte Äusserungen
authentischer Gefühle ermöglicht
und einen unmittelbaren Zugang
zum Unbewussten schafft.
Ausdruckstherapie versucht, di
innere Befindlichkeit in der Hand¬
lung, sei dies durch Malen, Musik
oder dem Wort, erlebbar zu ma
chen oder eben zum Ausdruck zu
bringen. Beim Betrachten und Be¬
sprechen des unmittelbar Erlebten
kann der/die Patient/in Zugang zur
eigenen inneren (Bilder-) Welt fin¬
den und diese zunehmend
seiner äusseren (Um-) Welt in Zu¬
sammenhang bringen.
Brigitte von Gunten
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